Samstag, 16. April 2011

Interreligiöser Dialog - eine Farce?!

"Frankfurter Religionsgespräche" an der Evangelischen Stadtakademie in Frankfurt. Veranstaltung Nummer eins: "Getrennt und vernetzt - Religion und Migration online". Ich treffe unter anderem wieder auf Abdul-Ahmad Rashid, Redakteur des ZDF "Forum am Freitag". Neben ihm sitzen der Kirchenpräsident der EKHN (Evangelische Kirche Hessen-Nassau), sowie die Professorin Dr. Ilona Nord, vom Fachbereich "Evangelische Theologie" der Universität Hamburg.

Veranstaltung Teil zwei: "Gehört der Islam zu Deutschland?" in Bensheim, eine Veranstaltung, veranstaltet von der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde, eine reformerische muslimische Gemeinde, die auch in Deutschland, zum Beispiel in Frankfurt, Darmstadt, oder eben Bensheim, ihre Anhänger hat.

Gespräche, Dialog oder Abschottung?

Eigentlich suggeriert mir der Titel der ersten Veranstaltung "Getrennt und vernetzt - Religion und Migration online", dass es um eine bessere Vernetzung zwischen Muslimen und Gleichgesinnten, Muslime und Christen und Deutschen und Muslimen oder andere Migranten geht - oder sagen wir besser: gehen sollte?!

Ich frage sowohl Abdul-Ahmad Rashid, als auch den Kirchenpräsidenten, Dr. Volker Jung, ob sie finden, dass das Internet dazu beigetragen hat, dass Muslime untereinander und Muslime und Christen mehr miteinander kommunizieren.

Das "Forum am Freitag"- ein Forum für Muslime?

Rashid stellt erst mal stolz das "Forum am Freitag" vor. Bestimmte muslimische Persönlichkeiten kommen hier jede Woche zu Wort, die Muslime können sich also über Ihre Landsleute informieren. Oder sich bei Geistlichen Rat über Ihre religiösen Gewohnheiten einholen.

Auch seine Sendung "Forum am Freitag" biete den Muslimen die Möglichkeit, sich verschiedentlich zu äußern und miteinander zu diskutieren. Die Sendung bilde daneben verschiedene Meinungen der Muslime ab: bestimmte muslimische Persönlichkeiten kämen hier zu Wort, sodass sich die User ein Bild von ihnen machen könnten. Er weiß aber leider nicht, ob sich mehr Leute übers Internet vernetzen und da diskutieren. "Ok, was machen wir dann überhaupt hier?", frage ich mich. Man könne über den Glauben reden und verliere leichter die Scheu, sich gerade über ein Randthema wie Religion auszutauschen, sagt mir Rashid.

Migration online?

Austausch ist ja gut. Aber Austausch bedeutet hier ja wohl, dass nur Mitglieder einer Partei, in dem Fall einer religiösen Gruppe, miteinander ins Gespräch kommen. Das bei einem intereligiösen Thema, dass "Migration online", also Integration in eine andere Gesellschaft beinhaltet.

Dass das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen durch mehr Gespräche in Internetforen oder social networks besser geworden sei, kann mir auch der Kirchenpräsident, Dr. Volker Jung, nicht bestätigen. "Wir versuchen bei der Veranstaltung, dieses Thema zu umkreisen, und versuchen uns dem anzunähern", sagt er. Die Kirche selbst erhielte durch den ZDF Infokanal Infos darüber, wie man sich austauschen könne und könne auch Muslimen eine Plattform bieten, wo sie über religiöse Inhalte diskutieren könnten.

Gezielte Abschottung?!

Appell zur Abschottung Nummer zwei. Diskutiert man in Medien und Gesellschaft nicht immer wieder, dass Parallelgesellschaften auf Dauer nicht zur Integration beitragen? Hier erzählt mir ein iranischer Journalist, wie er durch eine Sendung, die das ZDF nur via Internet zur Verfügung stellt, den Dialog zwischen den Muslimen selbst fördern will.

Kann mir aber nichts Genaues darüber sagen, ob der Anteil der Muslime, die in Foren oder Chats diskutieren, größer geworden ist. Da stottert ein Verantwortlicher der Kirche rum, er "versuche" einen Dialog mit den Muslimen. Und gibt zugleich zu, dass er das Thema "umkreise". Wegen der genauen Zahlen solle ich Frau Dr. Nord fragen oder einen Kommunikationswissenschaftler. Da ich mich auf einer Veranstaltung befinde, bei der es offensichtlich auch um das Kommunikationsverhalten von Muslimen und Christen geht, verzichte ich darauf, externe Quellen zu befragen. Ich frage stattdessen Frau Dr. Nord - sie kann mir keine Antwort geben.

Religiöser Monolog statt interreligiöser Dialog

Wo bleibt da der Dialog, um den es bei einem Gespräch mit intereligiöser Intention geht?

Die Ausrede von Kirchenmann und Journalist: Es gehe erst einmal darum, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Angebote es gebe, die es ermöglichten, sich innerhalb der beiden Glaubensrichtungen anzunähern.

Für ein besseres Verhältnis sei aber "eine reale Begegnung vor Ort notwendig". Wenn ich mir das vermeintliche "Gespräch" an diesem Abend anschaue, glaube ich das gern.

Vor Ort sein - die Lösung?!

Die persönliche Begegnung betont auch Lukman Majoka, Student der Islamwissenschaften an der Universität Marburg, bei einem Vortragsabend zur Frage "Gehört der Islam zu Deutschland?" in Bensheim. Ein CDU-Stadtrat ist auch dabei. Er sagt, dass die Mulime ja selbst besorgt darum seien, dass Koranstellen ohne Vorwissen falsch interpretiert würden. Er zeigt sich sehr offen gegenüber den Muslimen und freut sich, dass ein Muslim sogar CDU-Mitglied sei.

Beeindruckend. Trotzdem merke ich, dass diese Veranstaltung wieder sehr einseitig ist. Majoka spricht selbst von einer PR-Veranstaltung. Er referiert über die Geschichte und zeigt auf, wie die Muslime unter anderem die Zahl PI erfanden und dass Worte wie "Alkohol" aus dem Arabischen stammen, vom Wort "Artekel". Schön, aber was ist der Effekt heute, außer der Tatsache, dass es das Wort und das Ding „Alkohol“ noch gibt?!

Dialogbereitschaft von unten her?

Warum kein Verantwortlicher der Kirche anwesend sei, frage ich Majoka. Er antwortet, dass Gespräche unter Verantwortlichen den Dialog nicht fördern würden. In Bensheim kenne man sich untereinander und suche häufig das Gespräch - Christen und Muslime.

Ich bin ein wenig skeptisch. Veranstaltungen von Christen auf der einen Seite, die "versuchen, sich dem Thema anzunähern", wie Dr. Jung sagt. PR-Veranstaltungen von Muslimen auf der anderen Seite, wo Kirchen-Verantwortliche stören. Auf der anderen Seite die "Versucherle" der Kirche, wie man im Schwäbischen sagen würde. Mir kommt der Begriff "Parallelgesellschaften" in den Sinn.

Ist Lessings Traum ein für alle Mal gestorben?

Hatte Lessing unter Umständen recht, der sich durch seine Ringparabel einen Dialog aller Weltreligionen wünschte und sie durch die gewählte Form der Parabel zugleich bezweifelte?

Ist die Abschottung der Religionen zueinander zu stark, als dass sie Vorurteile beilegen und sich besser miteinander arrangieren können? Egal, ob Jesus Gottes Sohn oder ein Prophet ist, sowas wie ein heiliger Krieg kann im schlimmsten Fall ja nur verhindert werden, wenn man Hassgefühle ablegt, die daraus resultieren, dass irgendeiner recht zu haben glaubt. Und dass wir Angst vorm Fremden, wie einer anderen Nationalität und Fremden, haben.

Das Problem an der Wurzel packen

Glauben ist nun mal nicht wissen. Wer hat die richtige Religion, Du oder ich? Das Problem bei allen Religionen ist, dass sie die definitive Wahrheit für sich beanspruchen und auf Ihr Recht pochen. Doch selbst, wenn es den Beweis geben würde, dass beispielsweise Jesus definitiv Gottes Sohn oder definitiv ein Prophet war. Die Öffentlichkeit würde es nie erfahren. Ob Pfarrer oder Imam – einer von beiden würde die Veröffentlichung entsprechender Dokumente verhindern.

Genau um die beiden geht es. Es ist schön, wenn Menschen wie Du und ich bei solchen Veranstaltungen miteinander diskutieren. In Deutschland herrschen aber nun mal vorrangig hierarchische Strukturen, die es erforderlich machen, dass Pfarrer, Priester, Imame oder andere Gläubige miteinander reden - nicht nur die Zivilbevölkerung, auch wenn das schon einmal ein guter Ansatz ist.