Dienstag, 16. Februar 2010

Bon Jovis „Circle“- eine Aufmunterung im Lebenszirkus


Den fünf gestandenen Jungs von der Popband Bon Jovi wird häufig vorgeworfen, dass sie außer eintönigem Pop nichts mehr zustande brächten. Seit kurzem ist das neue Album „Circle“ auf dem Markt. Drehen sich die Jungs im Kreis? Nein, das neue Album der Fünf ist vielmehr eine Frage nach Sinn und Unsinn des Lebens.
„We weren’t born to follow“- damit beginnt die CD mit 12 überwiegend selbst geschriebenen Songs. Wenn man bedenkt, dass einige von diesen Songs, besonders „We weren’t born to follow“, “When we were beautiful” und „Work for the working man” einen Gottesbezug aufweisen, scheint der erste Titel zunächst verwirrend. „God, are you listening or have you just given up?” singt Jon, begleitet von sanften Gitarren-Riffs energisch bei “Bullet”. Kann es sein, dass Gott es einfach zulässt, dass Schüsse aus dem Hinterhalt unschuldige Menschen treffen? Bon Jovi ist nicht über Nacht fromm geworden, doch „Circle“ ist geprägt von der Hoffnung auf ein besseres Leben. „Thorn in my side“, eines der wenigen rockig-dröhnenden Stücke, in dem Jons sexy Stimme besonders gut zur Geltung kommt, handelt davon, wie es ist, am Boden zu liegen und wieder aufzustehen. Obwohl Jon, untermalt von nur mäßigen Gitarrenpop, singt „You won’t let me run“, lässt sich bei dem Grad der Leidenschaftlichkeit seiner Stimme der Eindruck nicht verwehren, dass sein Appell eher an eine Frau, denn an Gott gerichtet ist. Dementsprechend ermahnt Jon im nächsten Lied seine Fans „Live before you die“: Sanfter als zum Beispiel „Just older“ aus dem im Jahre 2000 erschienen Album „Crush“, ist es eine Hymne an das Leben mit prägenden Ereignissen wie der ersten Liebe.
Auch „Superman tonight“ ist eine Liebeshymne, die jedoch nicht vergleichbar ist mit „Bed of Roses“ oder anderen früheren Balladen. Dennoch überzeugt Jons Sexappeal in der Stimme gerade bei diesem Song. Selbst die rockigeren Stücke wie „Learn to love“, „We weren’t born to follow“ oder „Love is the only rule“ werden am Ende zu Mid-Tempo-Rocknummern. Im Gegensatz zum Album „Have a nice day“ sind auf dem neuen Bon Jovi-Album keine Country-Einlagen zu hören.
Die Jungs kommen ab Februar dieses Jahres auf große Welttournee. Ihr Album macht Lust, sich zusammen mit den Jungs im Takt zu wiegen - wie zu Bon Jovis besten Zeiten. „Circle“ ist ein Genuss für alle alten und neuen Bon Jovi-Fans und am Ende der CD setzen wir uns mit Jon auf eine Harley Davidson und fahren in die Ferne – um der Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Lebens vielleicht ein bisschen näher zu kommen.

Bon Jovi, „Circle“, The Island Deef Jam Music, 2009

„Friendship“ – Oliver Ziegenbalgs Appell an die Freundschaft

„Friendship“ – Oliver Ziegenbalgs Appell an die Freundschaft
„Die DDR- Deutsche Demokratische Republik, sozialistische Republik“, die Hymne des ehemaligen Teilstaats Deutschlands erklingt und mit ihr die Stimme Matthias Schweighöfers alias „Tom“. Sie verkündet stolz, dass in der DDR nicht nur der gleiche Kleidungsstil obligatorisch war. „Wir haben alle das Gleiche gegessen“, sagt Tom. Schon dieser erste Satz wirkt komisch und so ist „Friendship“ trotz des historischen Einstiegs keine Dokumentation des Ost-West-Konflikts. Stattdessen ist der Film von Markus Goller ein Hoch auf Freundschaft, Liebe und Freiheit.
„Veit war meine Nummer Eins“, erzählt Tom (Schweighöfer, bekannt aus „Keinohrhasen“) im Prolog. Die Freunde leben in der DDR, doch „haben eine andere Vorstellung von allem“. Nach dem Fall der Mauer möchten sie die Welt außerhalb derer erkunden. Die DDR sorgte durch ihre Konformität nicht nur für einen sozialen Zusammenhalt Darüber täuscht die Geschichte einer Männerfreundschaft nicht hinweg. Sie schrieb auch traurige Familiengeschichten. In diesem Punkt erfüllt die Komödie ihre Funktion, durch komische Elemente auf Unstimmigkeiten in der Gesellschaft hinzuweisen. Veit (Friedrich Mücke) hat seinen Vater seit der Errichtung der Mauer nicht mehr gesehen. Zu seinem Geburtstag bekommt er aber Jahr für Jahr eine Postkarte von seinem Vater mit dem Lockruf nach San Francisco. Weil Tom und er nicht nur zusammen halten, sondern auch mehr Glück als Verstand haben, gelangen sie per Anhalter doch weiter hinaus ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Und dass trotz des einzigen englischen Worts, das sie sprechen, „Friendship“.
Die Fremden, auf die die Ausreißer stoßen, kommen alle ein bisschen komisch daher. Ein kiffender Comiczeichner, der beide erschreckt - erschrecken sie vor ihm oder weil sie so wenig Englisch sprechen? - nimmt beide nach San Francisco mit und verzichtet dabei nicht auf den obligatorischen Apfel. „An apple a day keeps the doctor away“, denkt der Zuschauer. Schöne heile Welt. Dieses Klischee kommt genauso wenig zu kurz wie das des prüden Amerikas. Weil Sex sich am besten verkauft, strippen beide in einem Nachtclub – eine Parodie auf die Geschichte – und verdienen dabei eifrig Geld. Heftig wird es, als eine Polizistin die beiden auf dem Weg über den Highway anhält. Denn beide fahren bis auf die Boxershorts nackt der Freiheit entgegen. Passend dazu die musikalische Untermalung von „A friend is what you need“. Die Klischees lassen den Zuschauer schmunzeln und schaffen einen Wiedererkennungswert. Sie dürften daher zu ertragen sein.
Die Klischees untermalen die Geschichte von Freundschaft und vom Erwachsen-Werden. Obgleich der Film als Nachfolger von „Good bye Lenin!“ gehandelt wird, erfüllt er diesen Anspruch nicht. Der Zuschauer erfährt nichts Neues über geschichtliche Ereignisse. Stattdessen unterbrechen bunte Bilder der DDR-Fahnen die Freundschaftsgeschichte und sorgen allenthalben für Rührung beim Zuschauer. Was das Roadmovie aber anschaulich vor Augen führt, sind Männerrituale. Beide Jungs erproben ihre Männlichkeit bei den Frauen, solange bis sie von deren Eltern erwischt werden. Sie kuscheln sich unter freiem Himmel aneinander und teilen ihre letzte Schokolade miteinander. Diese Szenen täuschen nicht darüber hinweg, welche Spannungen eine Freundschaft aushalten muss. Etwa, als den Freunden in der Deutsch-Amerikanerin Zoey (Alicja Bachleda Curus) eine Frau begegnet, die ihre Freundschaft auf eine Zerreißprobe stellt. Oder als Tom Veit mitteilen muss, dass sein Vater ihn nicht sehen will und er ihn dafür sogar für tot erklären muss.
Oliver Ziegenbalg, schon Drehbuchautor der Studentenkomödie „13 Semester“, lieferte auch für diesen Film die Vorlage. Newcomer Matthias Schweighöfer überzeugt durch Ausdruckskraft und Emotionalität trotz vermeintlich vieler übertrieben witzig dargestellten Szenen. Eine Frontale zeigt seine Verzweiflung, als er Veit die traurige Nachricht vom Verbleib seines Vaters mitteilen muss. Friedrich Mücke spielt den empfindsamen Gegenpart zum selbstsicheren Schweighöfer.
„Friendship“ besticht durch die Abwechslung von witzigen und ernsten Szenen. Witz, Klischees und eine sehr gute schauspielerische Leistung sorgen für gute Unterhaltung. Das Duo Schweighöfer und Mücke führt uns die heiteren und die Schattenseiten der Freundschaft überzeugend vor Augen – und ist daher jedem zu empfehlen, der sich einmal näher Gedanken über den Sinn von Freundschaft machen möchte.

Friendship,Wiedemann & Berg Filmproduktion
Deutschland/San Francisco, 2010
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg

„Glück ist Unglück, das man nicht hat“ – Doch dank Dr. med. Eckart von Hirschhausen „kommt das Glück selten allein“

„Ein Unglück kommt selten allein“ heißt ein altes Sprichwort. Diesem widerspricht der Kabarettist, Humortrainer, Redner und Bestsellerautor Dr. med Eckart von Hirschhausen in seinem „Lesebuch der besonderen Art“, wie es der Buchdeckel dem neugierigen Leser verrät. Dementsprechend trägt es den Titel „Glück kommt selten allein…“ Genauso kommt auch das Buch in lockerem Design daher - mit Stickern, Postkarten, Bildern – und Bastelanleitungen. Noch ist sein Buch „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ nicht den Bestseller-Listen entschwunden, schon ist der neue Hit des Kabarettisten in Reichweite: das anschauliche Sachbuch landete auf Anhieb in den Bestseller-Listen von „Spiegel“ und „Focus“.
Bereits auf den ersten Seiten zitiert der Autor den Philosophen Arthur Schopenhauer mit dem Satz „Glück ist Unglück, was man nicht hat.“ Doch zählte das Buch nicht 384 Seiten, würde sich der Leser damit begnügen müssen. Dass Stress Unglück bringt und Unglück Stress, ist keine neue Weisheit. Dass Sport für eine größere Ausschüttung von Glückshormonen sorgt, ebenfalls nicht. Beide Weisheiten finden sich häufig in bereits erschienenen Ratgebern. Aber wussten Sie, dass Ihre politische Einstellung von der Blutalkoholkonzentration abhängt? So führt der Autor im ersten Kapitel „Glück kommt selten allein – es kommt mit anderen“ an, dass bei steigendem Alkoholpegel die Neigung zum Konservativismus steige.
Ein großes Plus des Autors ist es, seine mit statistischen Zahlen belegten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Medizin, Psychologie und Hirnforschung immer wieder mit netten Anekdoten aufzufrischen. Genauso ernst nimmt der Autor das Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Bereits im zweigeteilten Vorwort betont er, dass sich dieses Buch durch die Bastelanleitungen auch als Arbeitsbuch für den Alltag eigne. Warum braucht der Leser zwei Vorwörter? Weil, so die These des Autors, der optimistische und neugierige Leser sich neben Bastelanleitungen und frechem Layout an immer wieder auftretenden Neuigkeiten erfreuen kann. Der pessimistische Leser und Kritiker erwarte dagegen entweder ein wissenschaftlich geschriebenes Sachbuch oder eine unterhaltende Lektüre. Fakt ist, dass dieses Buch dem Leser auf ein altes Thema neue Sichtweisen eröffnet - und ihm wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, „Glück kommt selten allein“
Rowohlt Verlag, Reinbek
384 Seiten, 18,90 Euro

Kommentar zu Westerwelles Manöverkritik an Hartz IV und eine Antwort auf einen Eintrag in "Encarta" vom 12.02.2010:

Dass man durch den Bezug von Hartz IV mehr Geld bekommt als jemand, der in einem niedrig bezahlten Job arbeitet, ist das wohl polemischste Argument, das man sich vorstellen kann. Ende des vergangenen Jahres erzählte mir ein auf der Straße lebender Punk ebenfalls, dass er doch nicht arbeiten brauche, wenn er dadurch weniger als durch Hartz IV bekomme.

Kann das aber ein Argument dafür sein, den Sozialstaat abzuschaffen und kann der eine in der Regierung sitzende Politiker ernsthaft wollen?! Dass er das kann, beweist er gerade. Er sollte sich schämen.

Einen Sozialstaat zu schaffen, war eine großartige Leistung des deutschen Staates. Was aber immer wieder vergessen wird, ist, dass Hartz IV nicht nur die Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken allein befriedigen soll. Gerade hat das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe entschieden, dass Hartz IV auch die Menschenwürde garantieren muss (siehe Printausgabe der ZEIT von dieser Woche). Das bedeutet, dass auch die Teilhabe an Bildung und der Zugang zu Kultur (ein Prinzip der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten) und die Chance auf politisches Engagement garantiert werden. Das würde "meinen" Punk sicherlich freuen, denn auch darüber, keine Arbeit zu finden, hat er sich beschwert...