Freitag, 13. August 2010

Oh, mein Schwarzwald

Kurzer Kommentar zur Schwarzwaldidylle

Dass das Magazin "Merian" den Schwarzwald durch eine rosarote Brille betrachte und darüber hinaus die Eskapaden eines Ihnen bekannten Klosters im Schwarzwald vergesse, las ich kürzlich im "Schwarzwälder Boten." Die Missbrauchsfälle sind schlimm, ohne Frage. Aber abgesehen davon, dass man darüber nachdenken sollte, ob das Zölibatgebot in der Moderne nicht längst überholt ist: Gehört diese Frage in ein Reisemagazin? Dessen Aufgabe ist es einerseits, über ein Land, eine Gegend, einen Ort zu informieren - aber auch für diesen Werbung zu machen. Wer macht schon Urlaub in der Nähe eines Badesees, über den berichtet wird, dass an ihm ständig Quallen gefunden werden?!
Und wer kennt sie nicht, die idyllischen Heimatfilme á la "Das Schwarzwaldmädel" mit Rudolf Prack und Sonja Ziemann?
So einen ähnlichen habe ich heute Morgen im Fernsehen gesehen. Ganz entzückend auch hier: das reizende Schwarzwaldmädel mit ihrem roten Bollenhut, der ihrem Liebsten signalisiert, dass sie noch nicht in festen Händen ist.

Das Genre der Heimatfilme hatte seine Blütezeit in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts - nach einer Zeit, in der die reale Heimat der Menschen durch die Verwüstungen des Krieges schon verloren schien. Da kamen die heimeligen Filme gerade Recht. Und schauen wir uns heute nicht auch Daily Soaps oder andere leichte Kost an, um uns von den Mühen des Alltags abzulenken. Ich jedenfalls war letztens auf einer Lesung eines schwäbisch-alemannischen Schriftstellers über sein "andalusisches Schwarzwalddorf".
Der Hinweis auf die ausgeprägte Heimatliteratur um den Schwarzwald herum im Oberrheingebiet, Beispiel Karlsruhe, sei hier als Zusatz erlaubt.

Und auch heute Morgen habe ich sehnsüchtig die Bilder der hohen Tannen des Schwarzwaldes angeschaut...
Meine Kollegen in der Germanistik sprechen von einem Dialektverlust. Da sollen sie doch eimal nach Karlsruhe gehen und sich die große Auswahl an Mundartbüchern und Heimatliteratur anschauen...

Sonntag, 16. Mai 2010

Der 2. Ökonomische Kirchentag - ein persönlicher Rückblick



Welche Aufgabe hat die Kirche heute? Kritiker, besonders aus den Reihen der Freikirchen, werfen "der Kirche" ja häufig vor, sie widme sich "nur" gesellschaftspolitischen Fragen. Gemeint ist damit eigentlich die alte Frage nach der Trennung von Religion und Politik. Sie gibt es hier in Deutschland auch nur pro forma. Schließlich ist in der Präambel des Grundgesetzes eindeutig von der "Verantwortung vor Gott und den Menschen" die Rede. Das Wort "Verantwortung" fiel direkt und indirekt häufig in den Seminaren. Katrin Göring-Eckhardt, Bundestagsvizepräsidentin und Kirchentagspräsidentin, hatte ihn beim Seminar „Grenzen des Wohlstandes“ zum Beispiel gebraucht. Aber schon die zahlreichen Biostände, Stände rund um den ökologischen Rucksack bzw. Fußabdruck, inklusive der Imbissbuden, ermahnten und lockten die Besucher an. Insgesamt war die Stimmung trotz ermahnender Podiumsdiskussionen, Fair trade im Überfluss und ausgebuchten Großkonzerten sehr gut. Die fleißigen Helferlein, die immer und überall rund um den Kirchentag mit dabei waren, waren überwiegend vom Verband Christlicher Pfadfinder - und sehr fotogen. Zwei Mädels hatten sehr viel Spaß dabei, fotografiert zu werden. Auf meine Frage hin, was für sie denn "Hoffnung" sei, waren beide sehr optimistisch."Wenn man etwas erreichen will, nützt Hoffnung, um es zu erreichen", erzählt mir die 16jährige Neele. Und Lena ergänzt: "Hoffen kann man, weil Glaube die Hoffnung bewahrt. Er verhilft zur Gemeinschaft und verschafft Gewissheit darüber, dass man nicht allein ist und Gott alles lenkt." Aber nicht nur Christen, auch bekennende Nicht-Gläubige, wie der 21jährige Meterologiestudent Matthias aus dem Harz meint: "Hoffnung sollte man auf jeden Fall haben, ohne Hoffnung geht es nicht weiter." Trotz der Euphorie, die mir besonders in den überfüllten U-Bahnen entgegen schlägt,nehme ich den Menschen die übertriebene Gelassenheit nicht ab. Oder bin nur ich pessimistisch? Ausstellungen, die zwar schön aussehen, aber nicht viel Neues bringen und zwei Kirchen, die im ökumenischen Sinne, auch beim Kirchentag, nicht gemeinsam das Abendmahl einnehmen können,überzeugen mich nicht völlig. Vielleicht wäre ein weniger an Veranstaltungen ja auch mehr gewesen.

Freitag, 23. April 2010

Die Medien und der Islam – eine endlose Geschichte eines fehlenden Entgegenkommens

Ist der Islam im gleichen Atemzug mit den Begriffen „Kopftuch, Koran und Terrorismus“ zu nennen? Wenn man die deutsche Medienlandschaft betrachtet, hat dies so den Anschein. Jede zweite „Schock“-Meldung ist eine Reaktion darauf, dass die muslimischen Frauen ein Kopftuch oder gar eine Ganzkörper-Verschleierung, die so genannte „Burka“, tragen. Schaffen die Medien ein falsches Bild des Islams in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigten sich Mitarbeiter der Hörfunkschule und des Evangelischen Medienhauses Frankfurt zusammen mit Jung-Journalisten am 15. April im Frankfurter Medienhaus. Zu Gast bei der Veranstaltung „ Islam= Kopftuch, Koran, Terrorismus“ war der Journalist, Islamwissenschaftler und Muslim Abdul-Ahmad Rashid. Er ist leitender Redakteur und Moderator der Internet-Sendung des ZDFs „Forum am Freitag“. In Chats und Foren, die neben Rashid auch von Kamran Safiarian (http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1005564/Islamkonferenz-in-Frage-gestellt#/beitrag/video/1005564/Islamkonferenz-in-Frage-gestellt) moderiert werden, können sich die Nutzer untereinander austauschen. Das Angebot ist nur online zugänglich, was einen Diskussionspunkt darstellte. Rashid selbst begründete es damit, dass es wegen der Verwertungsrechte unkomplizierter sei. Weil der Islam keine anerkannte Religionsgemeinschaft in Deutschland sei, erreiche das „Forum am Freitag“ seine Zielgruppe nur im Internet. Lobend erwähnte er an dieser Stelle einen Vorteil des Internets: immer und überall abrufbar zu sein. Der zwanzig minütige Dokumentarfilm, der die Debatte an diesem Abend anstoßen sollte, war nicht übers Internet, sondern auf der Leinwand im hauseigenen Kinosaal des Medienhauses zu sehen. Hervorgegangen aus dem Wuppertaler Medienprojekt „Jung und Muslim in Deutschland“ widmete sich der Film der Frage, wie der Islam in den Medien dargestellt wird. Hintergrund für die verzerrte Darstellung in den Medien ist nach Angaben der Erlanger Medienwissenschaftlerin und Institutsleiterin des Instituts für Medienverantwortung, Dr. Sabine Schiffer, die Technik des „Induktionsschnitts“. So veröffentlichten Medien oft Fotos nebeneinander, die einen falschen Deutungs-Zusammenhang ergäben. Zu ähnlichen Ergebnissen kam die Mainzer Journalistin Khola Maryam Hübsch. In einer Studie über das mediale Islambild kam sie zu dem Ergebnis, dass durch Auswahl der Bilder und Wahl der Überschriften wie „Allahs rechtlose Töchter“ ein eindeutig negatives Bild geschürt würde (siehe auch mein Beitrag über Hübschs Mitwirken innerhalb des Interreligiösen Dialogs "Was ist eigentlich ein Interreligiöser Dialog?"). Im Film kommt auch die durch die Medien angesprochene Öffentlichkeit zu Wort. Die jugendlichen Teilnehmer des Projekts fragten Passanten, was ihnen zum Thema „Islam“ einfiele. Die Muslime haben den Eindruck, dass zu wenig Deutsche etwas über sie selbst, ihre Kultur und Religion wissen. Die Ergebnisse der im Film gezeigten Umfrage bestätigten diese Annahme. Dabei war den Befragten allerdings lediglich klar, dass in Deutschland ein schlechtes Bild vom Islam existiert. Sie konnten jedoch nicht von eigenen schlechten Erfahrungen berichten. Eine Muslima empörte sich über die Kopftuch-Debatte: „Andere Leute tragen doch auch Kopftücher.“ Eine weitere äußerte sich stark selbstkritisch: „Wir müssen mehr tun.“ Bis jetzt ist davon noch nicht viel zu spüren. Bis auf die öffentliche Debatte anlässlich des Scheiterns der Islamkonferenz in den vergangenen Wochen http://islam.de/15692.php fehlt auch ein Entgegenkommen der Muslime gegenüber der deutschen Bevölkerung.
Die Wahl des Dokumentarfilms fällt ein wenig unglücklich aus. So bemängelt ein Teilnehmer zu Recht, dass der Film die gängigen Klischees nur wider spiegele. So ist beispielsweise kein Vertreter von dem kritisierten Medium Spiegel Online im Film zu sehen.
Demgegenüber lobt Abdul-Ahmad Rashid die „vielen guten Berichte“ bei den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Es ist einer der Momente, in denen der Redakteur hilflos, gar verzweifelt, wirkt. So gestaltet sich sein Lob und Tadeln der Vermittlung des Islambildes durch die Medien etwas schwierig, wenn man bedenkt, dass beispielsweise sowohl die Deutschen, als auch die Muslime Nachholbedarf beim gegenseitigen Interesse aneinander bekunden. Deutsche Journalisten seien ihm zu wenig kritisch, sagt er. Betrachtet man die Debatte in den Feuilletons der vergangenen Wochen, spürt man eine gewisse Polemik in den Debatten ausgehend von Henryk M. Broder und Necla Selek, die beide mit dem Islam bestens vertraut sind und die öffentliche Debatte vielfach befeuern.
Einer Lösung der Probleme in Akzeptanz und Darstellung kam man an diesem Abend nicht näher. Liegt sie darin, durch weniger Berichterstattung religiöse Aspekte nicht noch mehr zu betonen? Das Paradoxe am Vorwurf an die Medien, sie stellten ein verzerrtes Bild des Islams dar, ist, dass sie nur abbilden können, was sie sehen. Frauen mit Kopftüchern sind für jeden ersichtlich, der mit offenen Augen durch die Stadt geht. Initiativen der Muslime, die dieses Bild zerstören, abzubilden, erfordert mehr Engagement. Beide Seiten, Journalisten und Muslime, bleiben gefordert.

Samstag, 3. April 2010

Kleine Lesung im Darmstädter Künstlerkeller

„An den radikalsten Stellen hat man am meisten zu lachen“ – Rainer Wieczorek liest die "Tuba-Novelle"

„Die ‚Tuba-Novelle‘ ist ein Versuch einer liebevoll-ironischen Geschichte der Moderne“, umreißt Rainer Wieczorek das Ziel seiner gerade im Berliner Dittrich-Verlag erschienenen ‚Tuba-Novelle‘. Damit begrüßte der gut gelaunte Darmstädter Lehrer und Autor seine jungen und alten Gäste zu seiner Lesung am Donnerstag im Künstlerkeller des Darmstädter Schlosses. Sehnsüchtig hatten seine Kollegen, Schüler und Freunde den zweiten Band seiner Novellen-Trilogie und Nachfolger von „Zweite Stimme. Eine Künstlernovelle“ (das Echo berichtete) erwartet. - Der komplette Artikel erschien gedruckt im Darmstädter Echo und ist im Netz unter http://www.echo-online.de/nachrichten/kunstundkultur/Heitere-Stoerungen;art1161,782548 zu finden.

Dienstag, 9. März 2010

Was ist eigentlich ein "Interreligiöser Dialog"?


Diese Frage stellte mir kürzlich mein Dozent während unseres Interviewtrainings. Meine Kommilitonen und ich hatten ein Video von einem Interview zu diesem Thema gedreht. Darin befragte ich Pfarrerin Gabriele Zander von der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) zum Interreligiösen Dialog.
Viele wissen mit dem Begriff nichts anzufangen.Hier nun mehr dazu. Auch in meinem Lebenslauf ist schließlich von meinem Engagement im Interreligiösen Dialog die Rede.

Angefangen hat alles eigentlich mit unserem Semesterprojekt des zweiten Semesters. Hier sollten wir uns in Gruppen zusammen tun, um unter dem Oberthema "Religion und Spiritualität" Themen zu bearbeiten. So widmeten wir uns der Reihe "Gottesdienstbesuche". Das hieß im Klartext, dass wir uns gegenseitig im Gottesdienst besuchten und darüber sprachen, wie unser Glaube in der Praxis gelebt würde. So war ich zum Beispiel ganz erstaunt darüber, dass Muslime nicht am Sonntag,sondern freitags ihren Gottesdienst feiern. Ihr Gottesdienst heißt dann dementsprechend "Freitagsgebet". Und wie oft die Muslime beten, in wie vielen verschiedenen Haltungen, das war mir ganz neu. Aber wie mir unser Pfarrer damals erzählte, war das bei den Christen ursprünglich auch nicht anders. Auch hier sollten die Gläubigen eigentlich während des Gebets kein Auge auf ihren Partner werfen - zumindest der Dogmatik nach. Dieses und andere Themen wie das Kopftuch erregen ja sowieso ständig die Gemüter, aber dazu später mehr. Unsere Artikel aus dem Semesterprojekt findet Ihr unter http://journalismus.h-da.de/projekte/ss09/augenblick/.

Die Rolle der Frau

Seit einiger Zeit besuche ich mit meiner Kommilitonin auch Vorträge über den Islam.
Sie ist in ihrer islamischen Gemeinde für den Interreligiösen Dialog zuständig. Glaubenskriege müssen meiner Meinung nach nicht sein, weswegen ich mich dafür einsetze, ein gegenseitiges Verständnis füreiander zu schaffen. Schließlich kennt die Wahrheit unseres Daseins und Glaubens sowieso nur Gott allein. Letztens waren wir zum Beispiel bei einem Vortrag über die Rolle der Frau im Islam, ausgehend vom Islamischen Studentenverein der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Dabei versuchte Saloua Mohammed, Pressesprecherin der "Lifemakers", einige Vorurteile über die Unterdrückug der islamischen Frau zu zerstreuen. Und scheinbar hat es geholfen, denn auch einige Männer im Publikum zeigten sich verständnisvoll. Gestern war Weltfrauentag und wieder fladderte ein paar Tage im Vorraus eine Einladung von meiner Kommilitonin zu einer Veranstaltung in mein Email-Postfach. Zusammen mit der Gemeinde meiner Kommilitonin lud die Abteilung für Chancengleichheit des Landkreises Darmstadt-Dieburg zum Gespräch über den Interreligiösen Dialog ein. Der Dialog fand dieses Mal tatsächlich nicht nur auf christlich-islamischer, sondern auch ökomenischer Basis statt. Annette Claar-Kreh vom Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald bot einen geschichtlichen Rückblick auf die Entstehung des evangelischen Glaubens. Die Dieburger Gemeindereferentin Claudia Schöning berichtete über den katholischen Glauben. Die Journalistin Khola Maryam Hübsch aus der Gemeinde meiner Kommilitonin stellte eine Studie über das Islambild, wie es in hießigen Medien häufig propagiert wird, vor.

Wann erfuhr die Frau ihre Gleichstellung gegenüber dem Mann? Wie steht es um die Toleranz untereinander? Und ist das Sexverbot, oder anders ausgedrückt: die Enthaltsamkeit, bei den Priestern Schuld an den zahlreichen Missbrauchsfällen? Um diese Fragen drehte sich vor allem die anschließende Diskussion.

Witzig war der Einstieg zum anschließenden Vortrag von Frau Claar-Kreh: "Die katholische Kirche war vorher da, die evangelische Kirche ist eigentlich eine Protestbewegung gegen die katholische." Schließlich protestierte Luther gegen den Ablasshandel, weshalb die Gläubiger seiner Zeit "Protestanten" genannt wurden. Das war uns Evangelischen möglicherweise noch bewusst. Aber dass die zehn Gebote als erstes Sozialgesetzbuch gelten, war sicherlich nicht nur mir neu. Die Thora enthält nicht nur zehn Gebote, sondern auch viele weitere, unter anderem auch Reinheitsgebote für die Frauen während ihrer Tage. Wie Claar-Kreh betonte "als Schutzfunktion." So mussten sie auch bestimmte Waschungen durchführen und die Männer durften sie in dieser Zeit nicht anrühren. Aber schon hier wurde dies vielfach von den Männern ausgenutzt und Jesus musste eingreifen. "Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein", sprach Jesus und schützte damals eine sündige Frau im Gleichnis.

Eine der großen philosophischen Menschheitsfragen ließ auch Claar-Kreh nicht unversucht: Ist der Mensch gut oder böse? Nach Meinung von Claar-Kreh wohl nicht. Denn laut ihrer Aussage ist die sündige Eva ein Sinnbild für das Böse in der Welt. Ein Bild, das "die Kirche" entworfen habe. Eigentlich sei der Genuss des paradiesischen Apfels doch nur ein Beispiel für das Streben des Menschen nach Autonomie. Ist das weniger böse? Und hat sich Adam etwa mehr an das Wort Gottes gehalten?
Jedenfalls wissen wir seit gestern, dass die Verdienste der Frauen, besonders in der Bibel, in der Vergangenheit schlichtweg nicht gewürdigt worden sind. Die Frauen fanden Jesu' leeres Grab, während die Männer Angst vor den Römern hatten. Und gottseidank dürfen seit 1954 Frauen Pfarrerinnen werden. Und letztlich gibt es überall Gleichstellungsbeauftragte und eine feministische Theologie, die Gott in seiner weiblichen und männlichen Seite erscheinen lässt.
Claudia Schöning bedauerte, dass nach der katholischen Lehre Paulus die Souveränität der Frauen wieder einzuschränken versucht hatte, weil sie in der Gemeinde schweigen sollten. Sie freue sich dagegen, dass sie als Gemeindereferentin ständig und gut mit dem Pfarrer zusammenarbeiten könne. Neben Claar-Kreh betonte auch sie die Wichtigkeit von Beratungsangeboten für Frauen im Falle einer ungewollten Schwangerschaft oder ähnlichem. Offener gegenüber diesem Thema zeigte sich verständlicherweise Claar-Kreh. Denn evangelische Pfarrer dürfen nach wie vor heiraten, während Priester dies nicht dürfen.
Ein konkretes Beispiel für einen gelingenden Interreligiösen Dialog fand Schöning auch. So freute sie sich darüber, dass die Mitarbeiter der katholischen Kindergärten gelernt haben, sich mit den Kindern über den Islam zu unterhalten und über ein gutes Miteinander zu freuen.
Khola Maryam Hübsch sprach über das so genannte "Framing", also darüber, wie eine bestimmte Art der Wahrnehmung geschürt wird. So kritiserte sie besonders die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die durch die Auswahl von Fotos und Bildunterschriften die Tatsachen verfremde. So würden auch nur Frauen in "sogenanten islamischen Ländern", aber keine hier in Deutschland lebenden Frauen mit Migrationshintergrund gezeigt.
Natürlich sprach sie auch das Gleichstellungsproblem der Frau gegenüber dem Mann an. "Genau wie im Christentum stehen die Männer vor den Frauen. Aber laut Koran gibt es keine Auszeichnung vor der anderen, Mann und Frau sind aus einem Wesen erschaffen." Laut einer Überlieferung heißt das im Sinne des Propheten wörtlich: "Der Beste unter Euch ist derjenige, der seine Frau am besten behandelt." Hoffentlich gestaltet sich das in der Tat häufiger so in der Realität.
Die Gemeinde meiner Kommilitonin betont die Bildung bei der Frau. Einige Studien, unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung haben herausgefunden, dass Frauen mit Migrationshintergrund eindeutig zu den Bildungsaufsteigerinnen gehören
Bei der Diskussion blieb anschließend die Frage nach dem Kopftuch nicht aus. Warum zum Beispiel gibt es kein Kopftuch für den Mann? Weil er "die Augen zu Boden richten soll". So solle das Kopftuch sexuelle Reize verdecken, "weil wir nicht auf äußere Reize reduziert werden wollen." Machen sich muslimische Frauen, die zwar ein Kopftuch, aber auch ein hautenges Kleid tragen, da nicht lächerlich? Selbst Frau Hübsch musste bei dieser Frage aus dem Publikum lächeln. Zu offensichtlich ist, dass diese Strategie weibliche Reize mehr betont, denn verdeckt. Verschweigen sollte man hier nicht, dass es auch im Judentum ein Kopftuchgebot gab. Tatsächlich verhüllte sich die Frau beim Gebet hier aus Unterwürfigkeit vor ihrem Mann, während der Mann nur Gott untersteht.

Sehr interessant war die Sehnsucht nach dem Paradies, sowohl in der christlichen, als auch islamischen Religion. Im christlichen Sinne ist eine Jungfrau Sinbild für Reinheit und vielfach auch für Perfektion, aber auch für die Nähe zu Gott. Auch Maria sei ja Jesus ganz nahe gewesen, so Schöning. Auch im Islam sei sie, so Hübsch, ein Sinnbild dafür, wie es ist, Gott ganz nahe zu sein. Für Selbstmordattentäter sei aber die Jungfrau interessanter als die Nähe zu Gott. Ein Versprechen, das sich Selbstmordattentäter machten, sei es, im Pradies auf ganz viele Jungfrauen zu stoßen. Letzlich endete die Debatte mit der Frage, ob die sexuelle Enthaltsamkeit die Ursache für die Missbrauchsfälle gewesen sei- was die Referentinnen verneinten - und was nicht ganz der Meinung des Publikums entsprach...

Dienstag, 16. Februar 2010

Bon Jovis „Circle“- eine Aufmunterung im Lebenszirkus


Den fünf gestandenen Jungs von der Popband Bon Jovi wird häufig vorgeworfen, dass sie außer eintönigem Pop nichts mehr zustande brächten. Seit kurzem ist das neue Album „Circle“ auf dem Markt. Drehen sich die Jungs im Kreis? Nein, das neue Album der Fünf ist vielmehr eine Frage nach Sinn und Unsinn des Lebens.
„We weren’t born to follow“- damit beginnt die CD mit 12 überwiegend selbst geschriebenen Songs. Wenn man bedenkt, dass einige von diesen Songs, besonders „We weren’t born to follow“, “When we were beautiful” und „Work for the working man” einen Gottesbezug aufweisen, scheint der erste Titel zunächst verwirrend. „God, are you listening or have you just given up?” singt Jon, begleitet von sanften Gitarren-Riffs energisch bei “Bullet”. Kann es sein, dass Gott es einfach zulässt, dass Schüsse aus dem Hinterhalt unschuldige Menschen treffen? Bon Jovi ist nicht über Nacht fromm geworden, doch „Circle“ ist geprägt von der Hoffnung auf ein besseres Leben. „Thorn in my side“, eines der wenigen rockig-dröhnenden Stücke, in dem Jons sexy Stimme besonders gut zur Geltung kommt, handelt davon, wie es ist, am Boden zu liegen und wieder aufzustehen. Obwohl Jon, untermalt von nur mäßigen Gitarrenpop, singt „You won’t let me run“, lässt sich bei dem Grad der Leidenschaftlichkeit seiner Stimme der Eindruck nicht verwehren, dass sein Appell eher an eine Frau, denn an Gott gerichtet ist. Dementsprechend ermahnt Jon im nächsten Lied seine Fans „Live before you die“: Sanfter als zum Beispiel „Just older“ aus dem im Jahre 2000 erschienen Album „Crush“, ist es eine Hymne an das Leben mit prägenden Ereignissen wie der ersten Liebe.
Auch „Superman tonight“ ist eine Liebeshymne, die jedoch nicht vergleichbar ist mit „Bed of Roses“ oder anderen früheren Balladen. Dennoch überzeugt Jons Sexappeal in der Stimme gerade bei diesem Song. Selbst die rockigeren Stücke wie „Learn to love“, „We weren’t born to follow“ oder „Love is the only rule“ werden am Ende zu Mid-Tempo-Rocknummern. Im Gegensatz zum Album „Have a nice day“ sind auf dem neuen Bon Jovi-Album keine Country-Einlagen zu hören.
Die Jungs kommen ab Februar dieses Jahres auf große Welttournee. Ihr Album macht Lust, sich zusammen mit den Jungs im Takt zu wiegen - wie zu Bon Jovis besten Zeiten. „Circle“ ist ein Genuss für alle alten und neuen Bon Jovi-Fans und am Ende der CD setzen wir uns mit Jon auf eine Harley Davidson und fahren in die Ferne – um der Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Lebens vielleicht ein bisschen näher zu kommen.

Bon Jovi, „Circle“, The Island Deef Jam Music, 2009

„Friendship“ – Oliver Ziegenbalgs Appell an die Freundschaft

„Friendship“ – Oliver Ziegenbalgs Appell an die Freundschaft
„Die DDR- Deutsche Demokratische Republik, sozialistische Republik“, die Hymne des ehemaligen Teilstaats Deutschlands erklingt und mit ihr die Stimme Matthias Schweighöfers alias „Tom“. Sie verkündet stolz, dass in der DDR nicht nur der gleiche Kleidungsstil obligatorisch war. „Wir haben alle das Gleiche gegessen“, sagt Tom. Schon dieser erste Satz wirkt komisch und so ist „Friendship“ trotz des historischen Einstiegs keine Dokumentation des Ost-West-Konflikts. Stattdessen ist der Film von Markus Goller ein Hoch auf Freundschaft, Liebe und Freiheit.
„Veit war meine Nummer Eins“, erzählt Tom (Schweighöfer, bekannt aus „Keinohrhasen“) im Prolog. Die Freunde leben in der DDR, doch „haben eine andere Vorstellung von allem“. Nach dem Fall der Mauer möchten sie die Welt außerhalb derer erkunden. Die DDR sorgte durch ihre Konformität nicht nur für einen sozialen Zusammenhalt Darüber täuscht die Geschichte einer Männerfreundschaft nicht hinweg. Sie schrieb auch traurige Familiengeschichten. In diesem Punkt erfüllt die Komödie ihre Funktion, durch komische Elemente auf Unstimmigkeiten in der Gesellschaft hinzuweisen. Veit (Friedrich Mücke) hat seinen Vater seit der Errichtung der Mauer nicht mehr gesehen. Zu seinem Geburtstag bekommt er aber Jahr für Jahr eine Postkarte von seinem Vater mit dem Lockruf nach San Francisco. Weil Tom und er nicht nur zusammen halten, sondern auch mehr Glück als Verstand haben, gelangen sie per Anhalter doch weiter hinaus ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Und dass trotz des einzigen englischen Worts, das sie sprechen, „Friendship“.
Die Fremden, auf die die Ausreißer stoßen, kommen alle ein bisschen komisch daher. Ein kiffender Comiczeichner, der beide erschreckt - erschrecken sie vor ihm oder weil sie so wenig Englisch sprechen? - nimmt beide nach San Francisco mit und verzichtet dabei nicht auf den obligatorischen Apfel. „An apple a day keeps the doctor away“, denkt der Zuschauer. Schöne heile Welt. Dieses Klischee kommt genauso wenig zu kurz wie das des prüden Amerikas. Weil Sex sich am besten verkauft, strippen beide in einem Nachtclub – eine Parodie auf die Geschichte – und verdienen dabei eifrig Geld. Heftig wird es, als eine Polizistin die beiden auf dem Weg über den Highway anhält. Denn beide fahren bis auf die Boxershorts nackt der Freiheit entgegen. Passend dazu die musikalische Untermalung von „A friend is what you need“. Die Klischees lassen den Zuschauer schmunzeln und schaffen einen Wiedererkennungswert. Sie dürften daher zu ertragen sein.
Die Klischees untermalen die Geschichte von Freundschaft und vom Erwachsen-Werden. Obgleich der Film als Nachfolger von „Good bye Lenin!“ gehandelt wird, erfüllt er diesen Anspruch nicht. Der Zuschauer erfährt nichts Neues über geschichtliche Ereignisse. Stattdessen unterbrechen bunte Bilder der DDR-Fahnen die Freundschaftsgeschichte und sorgen allenthalben für Rührung beim Zuschauer. Was das Roadmovie aber anschaulich vor Augen führt, sind Männerrituale. Beide Jungs erproben ihre Männlichkeit bei den Frauen, solange bis sie von deren Eltern erwischt werden. Sie kuscheln sich unter freiem Himmel aneinander und teilen ihre letzte Schokolade miteinander. Diese Szenen täuschen nicht darüber hinweg, welche Spannungen eine Freundschaft aushalten muss. Etwa, als den Freunden in der Deutsch-Amerikanerin Zoey (Alicja Bachleda Curus) eine Frau begegnet, die ihre Freundschaft auf eine Zerreißprobe stellt. Oder als Tom Veit mitteilen muss, dass sein Vater ihn nicht sehen will und er ihn dafür sogar für tot erklären muss.
Oliver Ziegenbalg, schon Drehbuchautor der Studentenkomödie „13 Semester“, lieferte auch für diesen Film die Vorlage. Newcomer Matthias Schweighöfer überzeugt durch Ausdruckskraft und Emotionalität trotz vermeintlich vieler übertrieben witzig dargestellten Szenen. Eine Frontale zeigt seine Verzweiflung, als er Veit die traurige Nachricht vom Verbleib seines Vaters mitteilen muss. Friedrich Mücke spielt den empfindsamen Gegenpart zum selbstsicheren Schweighöfer.
„Friendship“ besticht durch die Abwechslung von witzigen und ernsten Szenen. Witz, Klischees und eine sehr gute schauspielerische Leistung sorgen für gute Unterhaltung. Das Duo Schweighöfer und Mücke führt uns die heiteren und die Schattenseiten der Freundschaft überzeugend vor Augen – und ist daher jedem zu empfehlen, der sich einmal näher Gedanken über den Sinn von Freundschaft machen möchte.

Friendship,Wiedemann & Berg Filmproduktion
Deutschland/San Francisco, 2010
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg

„Glück ist Unglück, das man nicht hat“ – Doch dank Dr. med. Eckart von Hirschhausen „kommt das Glück selten allein“

„Ein Unglück kommt selten allein“ heißt ein altes Sprichwort. Diesem widerspricht der Kabarettist, Humortrainer, Redner und Bestsellerautor Dr. med Eckart von Hirschhausen in seinem „Lesebuch der besonderen Art“, wie es der Buchdeckel dem neugierigen Leser verrät. Dementsprechend trägt es den Titel „Glück kommt selten allein…“ Genauso kommt auch das Buch in lockerem Design daher - mit Stickern, Postkarten, Bildern – und Bastelanleitungen. Noch ist sein Buch „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ nicht den Bestseller-Listen entschwunden, schon ist der neue Hit des Kabarettisten in Reichweite: das anschauliche Sachbuch landete auf Anhieb in den Bestseller-Listen von „Spiegel“ und „Focus“.
Bereits auf den ersten Seiten zitiert der Autor den Philosophen Arthur Schopenhauer mit dem Satz „Glück ist Unglück, was man nicht hat.“ Doch zählte das Buch nicht 384 Seiten, würde sich der Leser damit begnügen müssen. Dass Stress Unglück bringt und Unglück Stress, ist keine neue Weisheit. Dass Sport für eine größere Ausschüttung von Glückshormonen sorgt, ebenfalls nicht. Beide Weisheiten finden sich häufig in bereits erschienenen Ratgebern. Aber wussten Sie, dass Ihre politische Einstellung von der Blutalkoholkonzentration abhängt? So führt der Autor im ersten Kapitel „Glück kommt selten allein – es kommt mit anderen“ an, dass bei steigendem Alkoholpegel die Neigung zum Konservativismus steige.
Ein großes Plus des Autors ist es, seine mit statistischen Zahlen belegten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Medizin, Psychologie und Hirnforschung immer wieder mit netten Anekdoten aufzufrischen. Genauso ernst nimmt der Autor das Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Bereits im zweigeteilten Vorwort betont er, dass sich dieses Buch durch die Bastelanleitungen auch als Arbeitsbuch für den Alltag eigne. Warum braucht der Leser zwei Vorwörter? Weil, so die These des Autors, der optimistische und neugierige Leser sich neben Bastelanleitungen und frechem Layout an immer wieder auftretenden Neuigkeiten erfreuen kann. Der pessimistische Leser und Kritiker erwarte dagegen entweder ein wissenschaftlich geschriebenes Sachbuch oder eine unterhaltende Lektüre. Fakt ist, dass dieses Buch dem Leser auf ein altes Thema neue Sichtweisen eröffnet - und ihm wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, „Glück kommt selten allein“
Rowohlt Verlag, Reinbek
384 Seiten, 18,90 Euro

Kommentar zu Westerwelles Manöverkritik an Hartz IV und eine Antwort auf einen Eintrag in "Encarta" vom 12.02.2010:

Dass man durch den Bezug von Hartz IV mehr Geld bekommt als jemand, der in einem niedrig bezahlten Job arbeitet, ist das wohl polemischste Argument, das man sich vorstellen kann. Ende des vergangenen Jahres erzählte mir ein auf der Straße lebender Punk ebenfalls, dass er doch nicht arbeiten brauche, wenn er dadurch weniger als durch Hartz IV bekomme.

Kann das aber ein Argument dafür sein, den Sozialstaat abzuschaffen und kann der eine in der Regierung sitzende Politiker ernsthaft wollen?! Dass er das kann, beweist er gerade. Er sollte sich schämen.

Einen Sozialstaat zu schaffen, war eine großartige Leistung des deutschen Staates. Was aber immer wieder vergessen wird, ist, dass Hartz IV nicht nur die Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken allein befriedigen soll. Gerade hat das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe entschieden, dass Hartz IV auch die Menschenwürde garantieren muss (siehe Printausgabe der ZEIT von dieser Woche). Das bedeutet, dass auch die Teilhabe an Bildung und der Zugang zu Kultur (ein Prinzip der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten) und die Chance auf politisches Engagement garantiert werden. Das würde "meinen" Punk sicherlich freuen, denn auch darüber, keine Arbeit zu finden, hat er sich beschwert...