Mittwoch, 2. Dezember 2009

Ein abschließender Nachruf an Enke

Ein Weichei aus Sicht der Gesellschaft? – Nein, ein Anlass um endlich zu handeln!
Fußballnationalspieler Robert Enke ist tot – durch Suizid. Das Medienspektakel um seinen Tod ist umso schlimmer. Die Ursache: Depressionen. Sie sind eine schwere Krankheit, die leider von der Gesellschaft totgeschwiegen wird. Bei Depressionen sei man ein Weichei, teilte Christoph Daum Spiegel Online mit. Und genauso ein „Weichei“ wollte Enke nie sein.

Enke war ein erfolgreicher Torhüter. Er war aber auch ein Familienmensch. Schon immer ein bisschen anfällig für Depressionen und dennoch einigermaßen stabil mit seiner Frau an seiner Seite. Die Familie gab ihm Halt. Dann starb seine Tochter, er scheiterte in Istanbul als Torhüter. Er spielte weiter Fußball. Es war nicht leicht für sein Selbstwertgefühl als depressiv veranlagten Menschen, als Fans ihn wie seinerzeit in Istanbul beschimpften und mit Gegenständen bewarfen. Und die Frage bei den ganzen Beileidsbekundungen momentan ist: Warum habt ihr Euch nicht früher um Enke gesorgt? Die Antwort, es sei seine Privatangelegenheit gewesen, ist im Medienzeitalter obsolet. Skandale und Liebesgeschichten sind Futter für die skandalhungrige Mediengesellschaft. Interessiert diese aber das Leid – und wenn, nicht erst zum Schluss?!

Nicht nur im Sport, wo der Stärkere und Bessere gewinnt, darf der Mensch nicht mehr schwach sein. Alles muss perfekt funktionieren, alles gleichzeitig erledigt werden. In Windeseile müssen Job, Ausbildung oder Studium gemeistert werden, dazu kommt die Familie. Irgendwo stehen dann auch noch die Bedürfnisse des Menschen selbst. Zeit bleibt wenig und erst recht nicht dafür, Leid zu verarbeiten.

Arbeit ist das äußere Zeichen dafür, dass wir alle nur noch durch unsere äußerlich sichtbar erbrachten Leistungen auffallen. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, aufeinander zuzugehen. Menschen müssen wieder hinter die Fassade blicken und helfen, dann, wenn es nötig ist! Anerkennung darf nicht nur aufgrund von Leistung geschehen, der Mensch selbst muss mit allen seinen Ängsten und Sorgen im Mittelpunkt stehen. Es darf kein gesellschaftliches Tabu mehr sein, sich schwach zu fühlen oder es zu sein!

Nicht nur Robert Enke gehört zu denen, die die Ärgernisse der Gesellschaft nicht mehr ertragen. Jeden Tag bringen sich viele Menschen um, darüber täuscht das Medienspektakel hinweg. Hoffen wir, dass Enkes Fall den Menschen die Augen öffnet und die Gesellschaft Depressionen nicht mehr ignoriert – sondern sie akzeptiert und ihnen vorbeugt!

Ja, Integration kann gelingen!

Alex. W tötet eine Türkin - Das Motiv: Rassismus. Nicht immer müssen solche Greueltaten ein Thema auf die Agenda der Deutschen rufen. Einer der diskurswürdigen Streitpunkte in Deutschland ist das Thema „Integration“. Der von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung vorgestellte Integrationsvertrag beweist, dass die Diskussion zwischen Deutschen und Immigranten nun endlich in Gang kommt.

Das Problem bei der Integrationsdebatte war schon immer, dass deutsche Politiker und Ausländer sich stets misstrauisch gegenüber standen. Deutschland streckte die Hand aus und zog sie gleichermaßen zurück. Das Land tut sich seit jeher schwer damit, sich zu seinem Status als Einwanderungsland zu bekennen. „Menschen mit Migrationshintergrund“ soll der neue Vertrag ansprechen. Bis zur Vertragssetzung fühlten diese sich befremdet, sogar fremd, wenn Deutschland keine klaren Aussagen über seinen und ihren Status traf. Auf der einen Seite machten die Politiker Zugeständnisse an die Migranten in Form von Gesetzesbeschlüssen, auf der anderen Seite respektierten sie die Menschen nicht als vollwertigen Teil ihres Landes. Sie schickten die Gastarbeiter nach getaner Arbeit zurück in ihr Herkunftsland. Bis die Süßmuth-Kommission das Zuwanderungsgesetz durchsetzte, war Deutschland lediglich ein „informelles Einwanderungsland“. Seit 2005 hat Deutschland mit Inkrafttreten des Gesetzes eine Integrationspolitik und - gesetzgebung. Damit ist es ein „formelles Einwanderungsland“. Jetzt endlich hat Deutschland endlich zugegeben, dass es geprägt ist von Menschen, die ins Land kommen, weil sie sich bessere Arbeits- und Lebensbedingungen erhoffen.

Mit dem neuen Integrationsgesetz geht Deutschland noch einen Schritt weiter. Statt lediglich Forderungen an die Migranten zu stellen, macht ihnen Deutschland mit dem Integrationsvertrag nach französischem Vorbild Zugeständnisse. Sie werden über ihre Rechte im Fall einer Diskriminierung informiert, konkrete Zusagen zu beispielsweise Kindergartenplätzen locken.
Interkulturelle und -religiöse Probleme kann auch ein Vertrag nicht lösen, der das anspruchsvolle Ziel der Integration schon im Titel trägt. Trotzdem ist der Vertrag ein Signal, um Türken, Pakistani und anderen Menschen ausländischer Herkunft zu zeigen: „Du bist kein geduldeter Fremdling in unserem Land, sondern wir wollen Dir entgegen kommen so wie Du uns entgegen kommst!“

Die Deutschen dürfen aber nicht bei diesem Signal stehen bleiben, sondern müssen stetig weiter gehen. Denn gerade religiöse Fragen im Zeichen radikaler Strömungen sowohl bei Christen, als auch Muslimen müssen diskutiert werden, um auch hier ein gegenständiges Verständnis zu schaffen. Dann kann Integration auf ganzer Linie gelingen!